Biden zeigt keinerlei Müdigkeit: «Wir fangen gerade erst an»

Americas Updated Feb,8,2023, visits 6459, Source Geneva United News, By Christian Weisflog

In den Umfragen sieht es derzeit nicht gut aus für den amerikanischen Präsidenten. Doch mit einer kämpferischen Rede zur Lage der Nation bewies Joe Biden, dass er durchaus die Kraft für eine zweite Amtszeit hätte. Mit Blick auf die nächste Wahl umgarnte er die Arbeiterklasse.

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Joe Biden ist ein unpopulärer Präsident. Das zeigen auch die jüngsten Meinungsumfragen. Biden habe in seiner Amtszeit bisher nicht sehr viel erreicht, glauben 62 Prozent der Amerikaner. Er hat zwar versprochen, mithilfe von grossen Ausgabenprogrammen eine Wirtschaftspolitik für die Arbeiterschaft und die Mittelklasse zu machen. Doch obwohl die Arbeitslosigkeit auf rekordtiefe 3,4 Prozent gesunken ist, leidet die arbeitende Bevölkerung trotzdem immer noch unter einer hohen Inflation. Akkumuliert stiegen die Konsumentenpreise in den vergangenen zwei Jahren um rund 15 Prozent.

Der Fund von Geheimdokumenten in seinem Haus und einem seiner früheren Büros aus Zeiten seiner Vizepräsidentschaft liess Biden in den vergangenen Wochen zudem ebenso schlecht aussehen, wie der chinesische Stratosphären-Ballon, der kürzlich während Tagen ungehindert durch den amerikanischen Luftraum schwebte. Gleichzeitig macht sich in der amerikanischen Öffentlichkeit eine zunehmende Ukraine-Müdigkeit breit. Rund ein Viertel der Wähler ist der Meinung, dass Washington zu viel für Kiew tue. Die Unterstützung für die Ukraine ist für Biden indes entscheidend im globalen Kampf für die Demokratie.

Biden wirbt um Trumps Wählerbasis

Angesichts dieser Ausgangslage wurde die Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress am Dienstag mit Spannung erwartet. Denn voraussichtlich wird sich Biden in wenigen Wochen festlegen müssen, ob er 2024 für eine weitere Amtszeit kandidiert. Und sein Auftritt am Dienstagabend zeigte, dass mit dem 80-Jährigen zu rechnen ist. Von Beginn an und bis zum Ende seiner über einstündigen Rede zeigte sich Biden gut gelaunt, wach und kämpferisch. Unter anderem strich er die vielen Gesetze heraus, die er auch mit Unterstützung von Republikanern durchs Parlament brachte. Diese hätten die «Zyniker und Nein-Sager» Lügen gestraft, die nicht mehr an eine parteiübergreifende Zusammenarbeit glaubten.

Durch das grosse Infrastrukturprogramm im Umfang von einer Billion Dollar oder auch das Gesetz zur Unterstützung der heimischen Halbleiterindustrie würden künftig unzählige Jobs in den USA geschaffen sowie Strassen, Brücken, Flughäfen oder schnelle Internetverbindungen gebaut. «Wir haben gerade erst angefangen.» Die Inflation tat Biden derweil als globales Phänomen ab, das auch durch Putins Krieg in der Ukraine verschärft worden sei.

Der Präsident richtete sich mit einfühlenden Worten an die Arbeiterschaft. Jene Wählerklientel also, die in den vergangenen Jahren zu einer treuen Gefolgschaft für Donald Trump geworden war. Zu viele Arbeitsplätze und Fabriken seien in der Vergangenheit ins Ausland abgewandert. Und dabei seien zu viele Ortschaften und Menschen vergessen worden, meinte Biden. Dabei gehe es bei einem Job nicht nur um den Lohn, sondern um Würde, Selbstachtung und Stolz. Und diese verlorenen Werte wolle er wieder herstellen, indem er ein Wirtschaftsmodell anstrebe, das für alle funktioniere. Es stehe nirgends geschrieben, dass Amerika nicht wieder zur führenden Werkbank der Welt aufsteigen könne. «Wir werden sicherstellen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt.»

Für die staatlichen Investitionen in die Infrastruktur, in die Gesundheitsversorgung, die Energiewende oder eine bessere Bildung müssten verstärkt die Reichen und grosse Konzerne aufkommen, betonte Biden. Damit rechtfertigte er auch die vom Kongress verabschiedete Mindeststeuer von 15 Prozent für grosse Unternehmen. «Ich bin ein Kapitalist, aber jeder muss einen fairen Anteil bezahlen.» Und das amerikanische Steuersystem sei einfach nicht fair. Biden warb deshalb für seinen Vorschlag einer Mindeststeuer für Milliardäre. «Kein Milliardär sollte einen tieferen Steuersatz bezahlen als ein Lehrer oder ein Feuerwehrmann.»

Führungsnation statt Isolation

Der Präsident bemühte sich, als Einer und Versöhner aufzutreten. Schliesslich ist das Repräsentantenhaus nun seit Januar in den Händen der Republikaner, mit denen er nun auskommen muss. Vor seiner Rede schüttelte er deshalb Kevin McCarthy, dem neuen Speaker der grossen Parlamentskammer, die Hand und gratulierte ihm zu seinem neuen Amt.

Gleichzeitig zeigte Biden aber auch Zähne. McCarthy und seine Republikaner wollen derzeit die Schuldengrenze nur anheben, wenn Biden und seine Demokraten zu Sparmassnahmen bereit sind. Kommt es zu keiner Einigung, droht den USA ein Zahlungsausfall. Biden erinnerte McCarthy jedoch daran, dass insbesondere in Trumps Amtszeit die Schulden rasant angestiegen seien. «Kein Präsident hat in vier Jahren so viel zur nationalen Verschuldung beigetragen wie mein Amtsvorgänger.» Trotzdem habe das Parlament damals die Schuldenobergrenze bedingungslos angehoben. «Ich fordere vom Kongress, diesem Beispiel zu folgen.»

Stand seine erste Rede zur Lage der Nation vor einem Jahr noch ganz im Zeichen der russischen Invasion in der Ukraine, konzentrierte sich Biden in diesem Jahr vor allem auf innenpolitische Themen. Am Ende schlug er aber doch noch den grossen Bogen zur Weltpolitik. Putins Invasion sei ein Test für Amerika gewesen: «Würden wir für die grundlegendsten Prinzipien einstehen?» Würden die Amerikaner sich für das Prinzip der Souveränität, für die Verteidigung von Freiheit und Demokratie einsetzen? «Ja, wir würden. Und ja, wir taten es»

Amerika führe die Welt wieder an, ob im Kampf gegen aggressive Autokratien, gegen den Klimawandel, gegen den Terrorismus oder gegen Ernährungsunsicherheit. Aber all dies könnte die USA nur aus einem Grund tun: «Unsere eigene Demokratie», betonte Biden. «Mit Demokratie ist alles möglich. Ohne sie nichts.»

Ohne Donald Trump beim Namen zu nennen, der 2024 womöglich erneut sein Gegenkandidat sein wird, gab Biden zu verstehen, was bei einer solchen Wahl aus seiner Sicht auf dem Spiel stehen wird. «Wir dürfen uns nicht als Feinde verstehen, sondern als amerikanische Mitbürger. Wir sind ein gutes Volk, die einzige Nation, die auf einer Idee beruht.» Deshalb sei er optimistisch: «Wir müssen uns nur daran erinnern, wer wir sind.»


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